Lack von spröden Holz entfernen?
15.11.24, 17:07:40
stavblue0815
Hallo zusammen,
bevor ich an diesem Stück loslege, möchte ich doch vorher Eure Meinungen einholen. Normalerweise hätte ich jetzt das Stück mit Aceton eingerieben und mit Papiertüchern Schicht für Schicht den Lack abgetragen. Aber bei diesem Stück sieht das Holz schon beschädigt, sehr porös aus, mit mindestens einen Sprung und daher meine Sorge, dass mit dem Lack sich auch das Holz verabschiedet. Was empfehlt ihr? Ich habe mir überlegt, das Holz nach der Reinigung mit Leinöl zu lasieren und damit zu konservieren.
Interessante Auffälligkeiten: Keinerlei Stempel, weder Hersteller noch Abnahmepunzen. Solche Stücke wurden
hier schon besprochen und ich würde einen Beitrag zu meinen Stück - nach erfolgreicher Restauration - hinzufügen. Die Klinge ist etwas länger als bei meinen anderen 98/05 Stücken: 37,5 cm.
Folgend Fotos vom Stück:
Bild 1 und 2: das ganze Stück
Bild 3 und 4: Klingenlänge 37,5 cm
Bild 5: Drücker unter dem Lack schwer erkennbar
Bild 6 und 7: Schadensbild am Holzgriff
Beste Grüße
Ferdinand
15.11.24, 17:54:32
Ulan13
geändert von: Ulan13 - 15.11.24, 18:03:59
Nur zum Verständnis: Ist der Lack der Originallack oder eine später aufgetragenen Sache? Sollte er original sein, würde ich ihn
auf jeden Fall drauflassen!!!
Ist er nicht original und Du willst ihn herunterhaben, wird es schwierig! Aceton ist bei diesem Holzzustand nicht geeignet, da Du den angelösten Lack in die poröse Oberfläche hineinreiben würdest. Mechanischer Abtrag (Schleifpapier/Klinge) scheidet ebenso aus, so wie das Holz aussieht.
Evtl. könnte man Abbeizer verwenden, aber gaaanz vorsichtig!
Sicher kann man poröses Holz stabilisieren, beispielsweise mit Kunstharzlösungen, etc. Würde ich aber bei diesem Stück nicht machen, weil nicht reversibel. Außerden funktioniert das bei versiegelten Oberflächen schlecht. Ginge also erst nach der Entfernung des Lackes. Ich würde nur mit Öl arbeiten und das ganze damit durchtränken. Leinöl ist ok.
Grüße vom Ulanen
16.11.24, 00:53:16
stavblue0815
Vielen Dank Ulane!
Der Lack ist m.E. nachträglich angebracht, da er kleine Rostnarben und Holzschäden überzieht. In der Literatur habe ich von schwarzen Lack am Griff bei dem 98/05 noch nichts gelesen. Daher möchte ich den Lack am Griff entfernen. Aber das werde ich mir noch überlegen. Kaputtrestaurieren ist freilich keine Option.
Beste Grüße
Ferdinand
16.11.24, 02:48:29
Zietenhusar
So aus dem Bauch heraus würde ich das alles so belassen wie es ist, denn irgendwie scheint es als Ganzes farblich und "gebrauchsspuren"-mäßig zu harmonieren. Die "offene" Stelle des Holzes würde ich mit Leinöl bestreichen.
Gruß,
Thomas
20.11.24, 21:38:47
ral6014
Ich sehe auch kaum Möglichkeiten ohne den Zustand des Stückes zu "verschlimmbessern". Das Holz ist einfach schon zu stark mitgenommen. Unterm Strich muss man sich halt immer überlegen, ob man solche Zustände überhaupt ankauft und wenn, wie man mit ihnen verfahren möchte.
21.11.24, 11:14:14
Ulan13
geändert von: Ulan13 - 21.11.24, 11:47:48
Unterm Strich muss man sich halt immer überlegen, ob man solche Zustände überhaupt ankauft und wenn, wie man mit ihnen verfahren möchte.
Ich stehe dem eigentlich, bei allem Vorbehalt gegen unnötige Restaurierungen, positiv gegenüber. Wenn man Erfahrungen sammeln und Kenntnisse erwerben möchte, dann geht das nun mal am besten am Objekt selbst. Daher ist es schon besser, man erwirbt für kleines Geld ein Stück, bei dem man auch Fehler machen kann, wie das oben gezeigte, als daß man ein gutes Objekt verbastelt. Und wenn man sich dann noch in ein Forum begibt wie dieses und sich Meinungen und Ratschläge einholt von erfahreneren Sammlern, anstatt berserkerhaft "draufloszurestaurieren", so finde ich dieses Vorgehen nicht nur folgerichtig, sondern lobenswert.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen (außer bei einem Flugzeugansturz ;) ) und da ist es doch sicher besser, sich an so einem Stück zu erproben. Insbesondere deshalb, weil wir hier ein Teil haben, an dem schon mal von unkundiger Hand herumgepfuscht wurde. Wir wissen ja alle, die wir uns mit Restaurierung beschäftigen, daß Fehler wohlmeinender, aber unkundiger Laien (Und sogar Profis!) oft schwerer wieder zu beseitigen sind, als die Schäden des Alters selbst. Also unterstützen wir doch Menschen, die mit Enthusiasmus neues Wissen und neue Kenntnisse erwerben möchten um genau diese Fehler zu vermeiden!
Daher genießen Projekte, wie das oben erwähnte, meine vollständige Unterstützung! :super:
Grüße vom Ulanen
22.11.24, 04:54:06
Zietenhusar
Wenn man Erfahrungen sammeln und Kenntnisse erwerben möchte, dann geht das nun mal am besten am Objekt selbst. Daher ist es schon besser, man erwirbt für kleines Geld ein Stück, bei dem man auch Fehler machen kann...
...oder sich ein gänzlich anderes Projekt damit verwirklichen lässt. Bis vor noch gar nicht allzu langer Zeit, wollte ich jedes rudimentär erhaltene Teil entweder so belassen oder aber vollständig restaurieren. Ersteres hat dazu geführt, dass ich die Teile nie wirklich in die Sammlung integrieren konnte und letzteres, dass mir das Ergebnis nie gefallen hat, auch wenn es gut war. Allein das Wissen um die "Veränderung" des Stückes hat bewirkt, dass ich langfristig keine Freude daran haben konnte.
Inzwischen habe ich aber gemerkt, dass die handwerkliche Beschäftigung die wirkliche Freude in mir weckt. Und deshalb kann das Objekt nie kaputt genug sein. Es muss sogar von allen ungeliebt sein, dann ist es das Richtige für mich. Allerdings versuche ich nicht mehr den Urzustand herzustellen, sondern etwas anderes daraus zu machen. Heutzutage nennt man das Upcycling. Ein Gegenstand, der nur herum liegt oder in den vergangenen Jahrzehnten herumgereicht wurde und letztendlich von Erben doch in den Müll geworfen wird, kann meine Kreativität anregen, meinen Wissensstand erweitern, einen neuen Zweck erfüllen und somit, wenn auch in veränderter Form, noch ein wenig länger erhalten bleiben. Dazu musste ich aber lernen umzudenken, Das war ein sehr schwerer und schleichender Prozess und hat mich einiges an Überwindung gekostet. Aber, Beispiele gibt es diesbezüglich genug in der Geschichte. Denken wir an die Jagdsäbel aus gekürzten Säbelklingen, Holzspalter aus Bajonette, Kerzenhalter aus Säbel- oder Degengefäße und die Siebe oder Schöpfkellen aus Stahlhelmglocken.
Wichtig ist doch, dass man Momente der Freude hat. Denn Freude ist ein oft seltener Gemütszustand.
Gruß,
Thomas
22.11.24, 11:06:51
Ulan13
geändert von: Ulan13 - 22.11.24, 11:16:45
Ein Gegenstand, der nur herum liegt oder in den vergangenen Jahrzehnten herumgereicht wurde und letztendlich von Erben doch in den Müll geworfen wird, kann meine Kreativität anregen, meinen Wissensstand erweitern, einen neuen Zweck erfüllen und somit, wenn auch in veränderter Form, noch ein wenig länger erhalten bleiben...
Wichtig ist doch, dass man Momente der Freude hat. Denn Freude ist ein oft seltener Gemütszustand.
Letzteres ist am Wichtigsten, da hast Du völlig recht, Thomas. Dieses Konzept, das Du hier propagierst ist ein eigentlich künstlerisches, ich selbst mache es mit Holzobjekten genauso, auch wenn ich (für mich selbst) den Begriff "Kunst" ablehne. Aber prinzipiell ist es ja das Gleiche, ob ich etwas aus zerbrochenen Muschelschalen oder verrosteten Säbeln oder zersplitterten Möbelteilen herstelle. Das Entscheidende (Im Gegensatz zu einer Restaurierung) ist, das was Neues entsteht. Zumindest für den extrenen Betrachter. Für mich - und ich liege wohl nicht falsch, wenn ich für Dich das Gleiche annehme - geht es dessenungeachtet mehr um den Prozess des Schaffens, des Machens, des Arbeitens mit den unterschiedlichen Materialen bei gleichzeitiger Bewahrung eines älteren (Kultur-)Objekts. Ja, der Zwiesprache mit diesem. Das ist es, was Befriedigung verschafft. Aber wir begeben uns hier auf geradezu philosophische Pfade.
Um nun überhaupt die Befähigung dazu zu erlangen, ist natürlich erste Voraussetztung das Lernen, das Können, das Wissen. Das rein handwerkliche. Und um dieses "Know-how" nun zu erreichen - und da schließt sich der Kreis - ist es gut, herumzuprobieren. In kindlicher Freude, mit Neugier und ohne die Angst "etwas Wertvolles kaputtzumachen" :p
Auch Dir, Thomas, vielen Dank für die Einblicke in Deine Motivation! :)
Grüße vom Ulanen
23.11.24, 00:57:26
stavblue0815
Vielen Dank für die Antworten. Mich freut es immer sehr, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen. Zwischenstand: Ich habe nun das Griffstück abgebeizt:
Bild 1 bis 3: eingebeizt und Ergebnis
Ich bin einigermaßen zufrieden, man sieht wieder zum Teil die Farbe des Holzes. Ein paar schwarze Stellen blieben, die aber auch mitunter vom Rost stammen können.
Bild 4 und 5: Aufnahmen vom Drücker - ich bin am Rätseln, ob das nur ein Drücker zum Schein war oder nicht. Man sieht dabei auch deutlich die Rostnarben, über die der Lack gepinselt wurde.
Bild 6 bis 8: Drama zweiter Akt: die beschädigte Klinge: zwar „nur“ auf einer Seite, aber es schmerzt ja trotzdem. Tja, jetzt sind nach einem Rat mehrere Schleifrunden mit Sandpapier angesagt. Die werde ich bei Gelegenheit durchführen.
Ja, das ist zutreffend, dass ich meine Versuche lieber an bereits „verbastelten“ Stücken erprobe und so meine Erfahrungen sammle. Ich glaube, jeder Sammler hat schon mal eine „Schandtat“ begangen und vielleicht rettet ja dieser schöne Gesprächsfaden so manches andere unberührte Stück vor einer unbedachten „Verschlimmbesserung“. Oder besser: bewahrt es vor dem Weg zum Schrottplatz.
Beste Grüße
Ferdinand
23.11.24, 04:04:32
Zietenhusar
...jetzt sind nach einem Rat mehrere Schleifrunden mit Sandpapier angesagt. Die werde ich bei Gelegenheit durchführen.
Dieser Schaden wäre auch für mich nicht hinnehmbar. Anhand der Struktur würde ich behaupten, dass hier jemand mit einen Dremel im Gange war. Da kann man froh sein, dass die Hohlkehle davon verschont blieb und das Bajonett keine Spuren von Schraubstockbacken hat.
Abhilfe schafft Sandpapier mit Körnung 120 und/oder kleiner (werdend). Stets in Längsrichtung schleifen. Nicht einmal zwischendurch quer schleifen, denn dann bringt man Querriefen rein, die die ganze Prozedur von vorne beginnen lässt.
Optimal wäre es, die Klinge dabei von Griff, Knauf und Parierelement zu befreien, aber das würde wieder andere nicht gewollte Spuren an diesen Teilen hinterlassen.
Im Großen und Ganzen harmoniert der Gesamtzustand, bis auf diese nachträglichen Schleifspuren an der Klinge. Versuche mal, Dich mit dem Schleifen nur auf den betroffenen Bereich zu konzentrieren und den Rest zu belassen. Oder anders gesagt, ich würde so vorgehen.
Meine Brötchen möchte ich damit nicht verdienen. Macht aber trotzdem Spaß.
Viel Erfolg.
Gruß,
Thomas