Genug gewartet, dann mach´ ich mal den Anfang. Vorgestellt wird ein Kürassierdegen fr./F., resp. M. 1817 in der seltenen, späten Ausführung als Ersatzfertigung für Verluste aus dem Krieg von 1870/71. Bereits Gerd Maier hat vor Jahrzehnten in seinem Werk über „Preussische Blankwaffen“, S. 260 f., ein typisches Exemplar davon vorgestellt, dem dieses, bis auf ein paar bemerkenswerte Abweichungen nahezu gleicht (s. Zeichnung).
Gesamtlänge 111, 5 cm, Klingenlänge 96 cm und Klingenbreite 3, 5 cm. Die Scheide fehlt.
Hersteller „CLEMEN & JUNG / SOLINGEN“, „G“ für eine Klinge aus Gußstahl, abgenommen „W 73“ unter Krone über bekröntem gotischen „A“ (identisch auf Klingenrücken und der Unterseite des Stichblatts), Truppenstempel „4. K. 5. 145.“ (Westfälisches Kürassier-Regiment Nr. 4, 5. Schwadron, Waffe Nr. 145; Standorte damals Münster / Hamm / Warendorf, Einsätze im Krieg von 1870: Vionville-Mars la Tour, Gravelotte-St. Privat, Verdun, Bu, Cloyes, Droué, Breteuil, Paris).
Typisch für diese Nachfertigungen sind das im Gegensatz zum französischen Original weitaus schwerere Gefäß, die unten weniger geschweifte Form der Griffkappe und die konische Form des Vernietknäufchens. Der belederte Griff weist wesentlich mehr Windungen (hier 24 !) für die Oberwicklung auf, die hier allerdings fehlt. Der verdrillte Messingdraht ist dafür dünner als beim Original, bzw. den früheren preußischen Nachbauten, was man beim vorliegenden Stück an den Abdrücken im Leder, aber auch dem bei Maier beschriebenen Exemplar erkennen kann.
Interessant ist zunächst, dass kein Griffring vorhanden ist. Dieser fehlt keinesfalls, sondern war nie vorhanden. Petschke (ZfHUk, 1963, Heft 189, S. 100) erwähnt solche Exemplare. Beim Degen im Maier ist ein solcher vorhanden; er weist jedoch nur eine geringe Höhe auf.
Dann ist das Ende des Stichblattes leicht nach unten gebogen, wobei dies vom Radius her keinesfalls der im Jahr 1901 angeordneten Aptierung beim Nachfolgemodell M/54 entspricht. Beim Exemplar von Maier ist dies nicht der Fall.
Bei dem hier behandelten Degen ist das Gefäß vermutlich von einem Sammler oder in einem Museum zaponiert worden; es glänzt daher goldfarben).
Die Klingenspitze liegt in der Mitte. Maier macht dazu leider keine Angaben - bisher bin ich daher davon ausgegangen, dass eine Rückenspitze auch noch bei diesen Spätfertigungen vorhanden war. Insofern bedarf die Aussage in meinem Betrag vom 28.12.16 weitergehender Vergleiche von Originalstücken und gegebenenfalls einer Korrektur. Die Klingenlänge lässt durchaus die Möglichkeit einer entsprechenden Aptierung durch Abschleifen der Rückenspitze zu, wobei Spuren davon am vorliegenden Realstück nicht erkennbar sind.
Zweifellos lässt sich die Rückenspitze bei den preußischen Nachbauten bis in die 50/60-ger Jahre des 19. Jahrhunderts nachweisen - vielleicht wich man erst bei diesen Spätfertigungen davon ab, da die Degen ja von Anfang an für einen Stich konzipiert waren. Man vergleiche eine Spätfertigung vom „Sondermodell Garde du Corps“, abgenommen im Jahr 1878 (s. Thema hier im Forum) - dieser ist ebenfalls mit einer in die Mitte verlegten Spitze versehen.
In Frankreich wurde dies ja bereits ab dem Degen Mle 1816 eingeführt.
Aufgrund der Seltenheit von diesen Ausführungen ist es daher umso wichtiger, weitere Vergleichsexemplare aufzufinden und zu dokumentieren.
Bisher liegen nur abgenommene Exemplare aus den Jahren 1872 und 1873 vor. Obwohl man im Krieg große Mengen an französischen „Sabre de carabiners / cavallerie de réserve Mle 1854“, bzw. „Sabre de Dragons Mle 1854“ erbeutet hatte, war deren Einführung bei den preußischen Kürassieren in diesen Jahren keineswegs entschieden, vielleicht noch nicht einmal geplant. Ersatz für Kriegsverluste erfolgte daher natürlich gemäß den aktuell geführten Waffenmodellen, bis man sich dann preußischerseits 1876 für die Übernahme der französischen Beutewaffen entschied.
Diese Spätfertigungen sind daher vermutlich nur während des Zeitraums von ein bis zwei Jahren erfolgt.